Ein Wiedersehen im Schloss mit ... Isabel Cademartori
Von Mannheim nach Berlin: Seit über zwei Jahren sitzt Alumna Isabel Cademartori für die SPD im Deutschen Bundestag. Gleich im ersten Anlauf wurde sie als Direktkandidatin ins Parlament gewählt. Wie lebt es sich zwischen Berlin und Mannheim? Hat ihr BWL-Studium sie auf diesen Job vorbereitet? Und warum sitzt die gebürtige Brandenburgerin ausgerechnet für Mannheim im Bundestag? Ein Besuch in ihrem Büro.
Das Wahlkreisbüro von Isabel Cademartori liegt im H-Quadrat im Herzen von Monnem. Beim Betreten ihres Arbeitszimmers fällt der Blick direkt auf ein großes Schwarz-Weiß-Foto mit zwei älteren Herren, das an der Wand hinter dem Schreibtisch hängt. Auf dem Schreibtisch
stehen, neben anderen Dingen, ein SPD-Wimpel und zwei Coca-Cola-Flaschen mit „Mannheim“-Etikett. Cademartori beendet noch ein Telefonat und dann sitzen wir uns gegenüber auf zwei Sesseln. Auf dem Tisch zwischen uns stehen Kaffee und Wasser. Die Untersetzer sind, natürlich, rot.
Die typische erste Frage an Alumni: Warum die Uni Mannheim? „Ihr Ruf hat mich überzeugt. Die Stadt kannte ich vorher gar nicht, aber der erste Eindruck vom Schloss war toll“, sagt die gebürtige Brandenburgerin. „Als Abiturientin dachte ich, dass ich mit BWL viel machen kann und vielfältige Kenntnisse erlange. Das hat sich bestätigt.“ Bei der Erläuterung kommt das Wort „Unternehmerin“ in den Sinn: Cademartori unterhält ein Büro in Mannheim und eines in Berlin, ist verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion
und damit Chefin von mindestens elf Personen. „Wir haben Jour fixes etabliert, damit ich die MannheimerInnen nicht vergesse, wenn ich in Berlin bin. Und die Auswahl meiner
Mitarbeitenden hat für mich Priorität, da wir sehr eng zusammenarbeiten und die Chemie stimmen muss. Bisher klappt das und es herrscht eine geringe Fluktuation“, bekräftigt
die 36-Jährige. Zwei Mal im Jahr träfen sich die Teams zum Austausch in der jeweils anderen Stadt.
Politik liegt in der Familie
„Ich war immer ein sehr politischer Mensch, bei meiner Familie nicht weiter verwunderlich. Umso erstaunlicher ist es, dass ich so lange gebraucht habe, um meinen Weg in die Politik zu finden“, sagt die Alumna. Eine Anspielung auf ihren chilenischen Großvater, José Cademartori, jahrzehnte lang Abgeordneter im chilenischen Parlament und Minister in den 1970er Jahren. Die Enkelin folgt seinem Weg, engagiert sich aber zunächst in der Hochschulpolitik. Eines Tages begleitet sie einen Bekannten zu einer SPD-Versammlung. „Das war der Anstoß, der mir gefehlt hat! Dort habe ich Feuer gefangen und war dann sehr schnell und intensiv engagiert“, sagt die Politikerin. 2012 tritt sie der Partei bei, wird 2019 in den Mannheimer Gemeinderat gewählt und ist zeitweise auch im Landtag aktiv.
Ihre politische Arbeit schreitet neben Cademartoris Studium voran. Nach dem Bachelor entscheidet sie sich für den Master in Wirtschaftspädagogik. „Nochmal reine BWL wollte
ich nicht studieren. Bei Wirtschaftspädagogik hatte ich Geschichte im Nebenfach und fand Lehramt als eine Berufsoption spannend“, erklärt sie. Nach ihrem Abschluss arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik. „Das hatte auch den Charme, dass ich in Mannheim weiter politisch aktiv sein konnte.“ Spricht sie von der Quadratestadt, fallen Begriffe wie Sozialdemokratie, Arbeitertradition, Industriestadt, aber auch Kulturszene und gelebte Vielfalt. „Mannheim hat mich durch meine Arbeit so begeistert, dass ich zu einem Fan geworden bin und mich dafür einsetzen will“, schwärmt die Alumna, und man merkt ihr deutlich an, dass sie für die Stadt brennt.
Nach dem Einzug in den Gemeinderat hält die Politikerin den Sprung nach Berlin für ein Wagnis. „Ich dachte aber: Okay, probierst du es einfach mal“, sagt sie. Heute lebt sie ein geteiltes Leben in zwei Städten mit zwei Wohnungen und doppelten Kleidungsstücken. „Anders ist es nicht möglich: In kurzer Abfolge Sitzungen in Berlin, Dienstreise in eine andere Stadt, dann nach Mannheim und wieder zurück nach Berlin“, zählt die Abgeordnete auf. Eine normale Arbeitswoche hat für sie 80 Stunden – und doch sagt sie: „Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht und empfinde das als Privileg.“
Vermutlich ein weiteres Privileg, zumindest für alle Nicht PolitikerInnen: Die Abgeordnete kennt Kanzler Olaf Scholz persönlich. Alle zwei Wochen sieht sie ihn in Fraktionssitzungen. „Der Glitzer vom Anfang hat sich ein bisschen abgenutzt“, gibt sie auf Nachfrage zu. Aber es sei immer spannend, so nah dran zu sein und mitzubekommen, was ihn beschäftige. „Und manchmal ist es auch witzig, seine Mimik und Gestik zu verfolgen, wenn keine Kameras anwesend sind“, erzählt die Alumna lachend.
„Meine Arbeit ist ein Spagat“
Sie lacht gerne, strahlt und gestikuliert beim Sprechen. Im Gespräch merkt man, wie stolz sie auf das ist, was sie bisher erreicht hat. Insbesondere, wenn sie von Projekten erzählt, die sie noch im Mannheimer Gemeinderat angestoßen hat und jetzt als Abgeordnete weiterverfolgt. „Ich selbst verteile kein Geld, weiß aber von Projektgeldern im Parlament, um die Städte sich bewerben können. Darauf mache ich die politischen KollegInnen in Mannheim aufmerksam. Meine Arbeit ist ein Spagat zwischen Bundes- und Kommunalpolitik“, erklärt sie. Genauso wichtig wie Projektgelder sei es ihr, politische Anliegen im Bundesrat weiter voranzutreiben – also Gesetze einzubringen, die Mannheim und der restlichen Republik zugutekommen.
Am Ende des Gesprächs kommen wir auf das Bild der beiden Herren zu sprechen. Es sind Salvador Allende, ehemaliger chilenischer Präsident in den 1970er Jahren, und Pablo Neruda, der bekannteste chilenische Dichter und Literaturnobelpreisträger. „Beide sind linke Ikonen der chilenischen Politik und das Bild ist eine kleine Erinnerung daran, wo ich herkomme“, sagt Cademartori, die Politikerin mit Mannheim im Herzen, die verschmitzt grinst, wenn sie
sagt, sie habe keine Schneckenhofparty während ihres Studiums ausgelassen.
Text: Luisa Gebhardt
Foto: Wahlkreisbüro Isabel Cademartori